Mit Kathrin Giesbert betrachte ich die Tatsache, dass es bei Wahlen in diesem Land keine Möglichkeit der Stimmenthaltung gibt, als verfassungs- und vor allem menschenrechtswidrig. Gegen die Zurückweisung unserer Anfechtung der Kommunalwahl 2014 haben wir vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Klage erhoben. Unsere Klageschrift, die Begründung der Wahlanfechtung, die Stellungnahme der Stadt Dortmund gegenüber dem Verwaltungsgericht sowie unsere Entgegnung darauf finden Sie hier. Es hat gedauert bis zur Verhandlung unserer Klage vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, die am 19. Oktober 2016 stattgefunden hat. Berichtet haben darüber die Ruhr Nachrichten und Radio 91.2. Das Gericht erklärte mit Bezug auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts: Wenn der Gesetzgeber es wollte, könnte er die Möglichkeit einer Stimmenthaltung bei Wahlen einführen, er sei aber von keinem Gericht dazu zu verpflichten. Der Bezug auf die Menschenrechte sei nicht geeignet, eine solche Regelung zu erzwingen, weil diese quasi eine unverbindliche Empfehlung seien, der der Gesetzgeber nicht folgen müsse. Wir haben daraufhin unsere Klage zurückgezogen.

Es gibt in Dortmund, wie in anderen Städten auch, Straßen mit einem Namen, der eine demokratische Stadt weder ziert noch auszeichnet. Dazu gehörte die Carl-von-Duisberg-Straße. Ich habe angeregt, diese Straße umzubenennen, da Duisberg ein politischer Verbrecher war. Sie heißt jetzt Kleine Löwenstraße.

Eine Dortmunder Platzbenennung möchte ich nicht unkommentiert lassen. In jedem Jahr wird zu Karfreitag in der Bittermark der dort und im Rombergpark im März und April 1945 von der Gestapo ermordeten Zwangsarbeiter aus Frankreich, Belgien, Jugoslawien, Polen, den Niederlanden und der Sowjetunion sowie deutscher Widerstandskämpfer gedacht. 2015 hat Oberbürgermeister Sierau in seiner Rede gemeint, viele NS-Täter seien nicht oder nicht angemessen bestraft worden. Aber wer ist Täter und wer verdient wofür eine außerordentliche Belobigung? „De mortuis nihil nisi bene“ wird gerne falsch übersetzt mit „Über die Toten nichts als Gutes“ statt korrekt mit „Über die Toten nichts als gut.“ Denn es geht nicht um den Inhalt, sondern um die Form. Aufgrund dieser Sinnverschiebung sind Nachrufe häufig von Geschichtsvergessenheit oder -klitterung bestimmt. Dortmunds Oberbürgermeister Sierau hat seinem Vorvorgänger Samtlebe einen Platz vor dem Ex-VEW-Gebäude an der Kleppingstraße gewidmet. Völlig passend, denn Samtlebe war durch und durch VEW-Lobbyist, und zwar eher weniger zum Wohle der Stadt Dortmund, aber so ganz nebenbei zu eigenem und familiärem Nutzen. Sierau wurde anlässlich der Platzbenennung indirekt so zitiert: „Samtlebe habe nach 1945 als aufrechter Demokrat die Konsequenzen aus Faschismus und Krieg gezogen, sei mit 20 Jahren in die SPD eingetreten...“ Eine frühere Entscheidung hat Sierau geschichtsvergessen und -klitternd nicht erwähnt: Mit 18 Jahren wurde Samtlebe Mitglied der Waffen-SS. Verständlich und nachvollziehbar wäre gewesen, wenn Sierau gesagt hätte, Samtlebe habe aus dieser Fehlentscheidung die Konsequenz gezogen, zu einem Demokraten zu werden. Denn dass er 1945 bereits ruckzuck zum „aufrechten Demokraten“ geworden sein könnte, halte ich sicher nicht als Einziger für unwahrscheinlich bis unmöglich. Dazu brauchte ein Ex-Waffen-SS-Mitglied wohl ein paar Jährchen.

Apropos Samtlebe: Als Willi Reinke, zu früh verstorbener Ex-Bürgermeister von Dortmund, Ex-Arbeitsdirektor der Dortmunder Stadtwerke und engagierter Streiter für die Stromverteilung (und dann auch -produktion aus regenerierenden Quellen) durch die Stadtwerke, 60 Jahre alt wurde, durfte Ex-Oberbürgermeister Samtlebe eine Rede halten. Die beiden Herren verstanden sich nicht sonderlich gut, unter anderem weil Samtlebe nicht ganz uneigennützig ausdauernd für VEW-Interessen eingetreten ist. Trotz dieses Verhältnisses hielt es Samtlebe für angebracht, zu sagen: Willi ist der Einzige, der ‚Arschloch’ zu mir sagen darf.“ Dazu Reinke: „Das sage ich nicht nur, das meine ich auch.“ Die Herren an seinem Tisch sollen sich gut amüsiert haben.

Der Dortmunder OB Ullrich Sierau musste wegen der „Haushaltslüge“ seines Vorgängers Langemeyer ein zweites Mal zur Wahl antreten. Er meinte dazu, er wünsche niemandem, was ihm in dieser Zeit widerfahren sei. Ich habe ihm daraufhin an ausgewählten Beispielen geschildert, was mir in meiner Zeit als Ratsmitglied „widerfahren“ ist. Nicht nur durch Sieraus „Genossen“, sondern auch aus dem, was „eigene Reihen“ genannt wird: Was einem in der Dortmunder Kommunalpolitik widerfahren konnte.

Mit „Lüge“ ist das, was Langemeyer in seiner Zeit bei der Stadt Dortmund verzapft hat, ebenso präzise wie ausreichend charakterisiert – obwohl mir „Charakter“ in diesem Zusammenhang schwer über die Finger in die Tastatur geht. Planung und Bau von Stadt- und Landesbibliothek und Konzerthaus Dortmund sowie die Eröffnung des Kinder- und Jugendtheaters in der Sckellstraße belegen eindrucksvoll, dass „Wahrheit“ für Langemeyer ein Fremdwort war und er fremde Sprachen weder hören noch sprechen wollte. Ich habe ihm nie ein Wort geglaubt.

Demgegenüber ist vergleichsweise lustig zu lesen, was sich die Verantwortlichen beim Bau des (damals neuen) Dortmunder Rathauses geleistet haben.

Wo früher Stahl gekocht wurde, ist heute ein stehendes Gewässer zu besichtigen, das aus einem Wasserhahn der DEW21 gespeist wurde. Der Bitte des Herausgebers von Wir in Hörde, dazu etwas zu schreiben, bin ich gerne gefolgt. Allerdings hat der Herr schließlich Schiss vor dem bekommen, was er mal für seine Courage gehalten haben könnte, und auf eine Veröffentlichung „verzichtet“: Hurra – ein Teich! 

Für das Buch Dortmund entdecken – 25 Stadtrundgänge (herausgegeben von Peter Döring, Ralf Ebert und Bärbel Posthoff, 2. überarbeitete Auflage, Essen, März 2000) haben Claudia Schulze-Aden und ich  den Beitrag Hörde by bike verfasst. Schon die Veränderungen in Hörde zwischen erster und zweiter Auflage des Buches waren bemerkenswert. Das gilt erst recht für die Entwicklung seit 2000. Ob diese positive oder negative Auswirkungen hatte, wird ganz unterschiedlich beurteilt.

Im Oktober 1990 war der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Horst Zeidler besonders erbost über mich – und zwar wegen eines Beitrags im Monatsblatt der damals noch einigermaßen „Grünen“: Leben wie unter Besatzungsmacht. Filz – Gewaltsame Sicherung der Mehrheit. Die absolute Mehrheit der SPD in Dortmund ist längst dahin, aber so war das damals.

Zum von der SPD-Fraktion abgenickten Haushalt für das Jahr 1991 habe ich beispielhaft dargelegt, was dieser Verein als Politik und insbesondere Haushaltspolitik ausgegeben hat: SPD-Haushaltspolitik oder: der vergebliche Versuch, Pudding an die Wand zu nageln.

Der Text Politik = Bohren in Beton – Ein Jahrzehnt Kommunalpolitik ist genug ist eine Erklärung für meinen Abschied aus der Kommunalpolitik.

Zwei Texte zu einer Firma, die in Dortmund einmal nicht nur irgendeine Bedeutung hatte, sondern praktisch den Oberbürgermeister gestellt hat: Pseudo-Krupp bei Hoesch „Gegen den Cromme war Al Capone ein Waisenknabe“ / Schrupp und Koesch.

Die Form des jährlichen Dortmunder Gedenkens an die Pogromnacht 1938 ist nicht so richtig attraktiv für jüngere Menschen. Mit meinem Versuch, andere dazu zu gewinnen, eine Form des Gedenkens zu finden, die nicht mit den derzeitigen Besuchern ausstirbt, stand ich allein auf weiter Flur: Pogromnachtgedenken.

In aller Regel bildet sich die Mehrheit in einem politischen Gremium ein, Demokratie sei mit Mehrheitsentscheidung identisch. Aber Demokratie zeichnet sich vor allem durch ihren Umgang mit Minderheiten aus. Deren Rechte werden zum Beispiel in einer Geschäftsordnung niedergelegt. Darum habe ich mich als Ratsmitglied gerne damit befasst, denn es ging um meine und unsere Rechte. Das haben SPD und CDU nie begriffen, denn: Demokratie ist Mehrheitsentscheidung. Als in der Bezirksvertretung Hombruch ein Streit über eine Geschäftsordnungsfrage ausgebrochen ist, habe ich mich in einem Leserbrief dazu geäußert. Der SPD-Fraktionsvorsitzende hat dazu gemeint: „Jetzt hat sich auch der Vor-Mund der Dortmunder Grünen dazu geäußert.“ Und zwar mit Bindestrich. Worauf ich geantwortet habe: „Lieber der Vor-Mund der Dortmunder Grünen als ein Arsch-Loch der SPD.“ Was mir eine Anzeige wegen Beleidigung und vor dem Amtsgericht eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 2.000,-- DM eingebracht hat. Mir wurde nicht abgenommen, dass ich gemeint hatte: „Lieber bin ich der Vor-Mund der Dortmunder Grünen als ein Arsch-Loch der SPD.“ Schließlich hatte ich diesen Verein 1968 ein halbes Jahr erlebt, bevor er mich rausgeschmissen hat. Zur Verhandlung vor dem Landgericht konnte ich erfreulicher- und dankenswerterweise ein beachtliches Gutachten des Bochumer Germanisten Jürgen Link vorlegen, dem die Richter sprachlich wie inhaltlich nichts entgegensetzen konnten: Freispruch. Der Anzeigeerstatter hat daraufhin eingelenkt und ist zu meinem Abschied aus der Kommunalpolitik im Cabaret Queue mit einem T-Shirt erschienen: „Aus dem Weg! Hier kommt ein Arschloch!“